Dienstag, 13. März 2012

Langzeittest Golf V 1.6 FSI (Teil II)


I. Einführung
Eine Übersicht über den Wagen finden Sie in Teil I.

Dieser erste Fahrbericht wurde nach etwa einer Woche Haltezeit verfasst. Ausführlichere Eindrücke folgen zu einem späteren Zeitpunkt.

II. Antrieb
Die in Teil I angesprochene vergleichsweise schwachen Daten gelten insbesondere in Bezug auf seinen Hubraum von nur 1,6 Litern und seinen Drehmomentverlauf.
Trotz dieser denkbar schlechten Voraussetzungen schlägt sich die Antriebseinheit sehr gut. Dazu trägt vor allem das exakt schaltbare 6-Gang Getriebe bei, was schnelle und präzise Gangwechsel bei moderatem Kraftaufwand erlaubt. Die Abstufung des Getriebes ist überaus gelungen. Zwar wird die Höchstgeschwindigkeit im 5. Gang erreicht. Trotzdem ist der 6. Gang kein reiner Schongang. Vielmehr ist er so als Fahrgang übersetzt, dass damit nahezu mit ~ 187km/h (GPS) die Höchstgeschwindigkeit ebenfalls gefahren werden kann. Natürlich wäre eine konsequentere Auslegung als Schongang wünscheswert gewesen um Drehzahlniveau und damit die Geräuschentwicklung auf der Autobahn zu drücken. Andererseits erlaubt es seine Auslegung als Fahrgang ihn schon ab 55 km/h vollständig einzusetzen.

Der Motor ist bis 2 000 1/min akkustisch sehr zurückhaltend. Danach klingt er recht sportiv und erinnert etwas an alte Zeiten mit offenen Luftfiltern. Gleichwohl klingt er nie angestrengt, auch wenn seine Drehfreude ab ca. 5 500 1/min etwas nachlässt. Wirklich problematisch scheint hierfür eigentlich nur die Brummneigung des Motors bei 1 500 1/min und darunter. Bei diesen Drehzahlen kann man allenfalls einen Gang noch halten, nicht aber mehr beschleunigen.

Dieses Verhalten mag zunächst störend erscheinen, ist aber äußerst zweckdienlich, wenn man einmal in das Verbrauchskennfeld schaut. So hat der Motor seinen Bestpunkt bei über 80% Last und ~ 3.000 1/min. Zu gut Deutsch: Wer beschleunigt sollte beim FSI zum einen etwa 80% Gaspedalstellung halten und zum anderen mittlere Drehzahlen bevorzugen. Wirklich wichtig ist es jedoch den Motor zu entdrosseln, d.h. möglichst viel Gas zu geben (knapp unter Vollgas).

Die Leistungsentfaltung ist für Stadt- und Landstraße völlig OK. Selbst Überholmaneuver auf der Landstraße macht der Wagen noch einigermaßen souverain. Wer mit 70km/h hinter einem LKW sitzt sollte sich nicht scheuen den dritten Gang bis zum Begrenzer zu drücken (Tacho 140km/h) und so zügig jeden Überholvorgang meistern.

Weniger gut ist naturgemäß die Beschleunigung in noch höheren Geschwindigkeiten – dafür ist die Kiste einfach nicht gebaut. Das merkt man auch schon an der Geräuschentwicklung. Ab 100 km/h nehmen die Fahrgeräusche überproportional zu – das ist in einer Fahrzeugklasse darüber (zB Vectra C) des selben Baujahres absolut undenkbar und viel besser gelöst. Ein Blick in konstruktive Details des Golf VI zeigt auf, dass hier VW deutlich gelernt hat. So verwendet man einerseits eine neue Windschutzscheibe inkl. Windabweisern, die die Windgeräusche im Innenraum deutlich reduzieren. Andererseits wird zum Beispiel unter den vorderen Kotflügeln zusätzliches Dämmmaterial eingesetzt, was Abrollgeräusche besser als beim in dem Bereich schlecht gedämmten Golf V vom Innenraum filtert. Beide Verbesserungen lassen sich übrigens mit Golf VI-Teilen beim Golf V nachrüsten.

Verbrauch: Unfassbar. Bei einer Landstraßenpartie von Gotha nach Halle inkl etwas Stadtverkehr am Zielort lag der Verbrauch laut MFA+ bei 5,5 l/100km. Dabei wurde keineswegs gebummelt. Geschwindigkeitsbegrenzungen wurden jedoch geachtet (außer beim Überholen). Ab und an durfte die Drehzahlnadel auch einmal Richtung Begrenzer. Im Mittel jedoch nur zügiges Reisen (zu 90% nur in den Gängen 4,5 und 6). Überhaupt ist die Landstraßenfahrt die Paradedisziplin des Golf. Bei Tempo 120km/h laufen deutlich unter 7 l/100km durch die Düsen. Auch in der Stadt werden es selten mehr als 8 l/100km. Selbst im winterlichen Kurzstreckenbetrieb (max. 7km inkl. Kaltstart) wurden es nicht mehr als 9 l/100km. Dauervollgas auf der Autobahn quittiert der Golf mit ~12 l/100km. Die realistische Verbrauchsspanne beträgt damit etwa 5-12 l/100km. Ein Langzeitschnitt im Drittelmix würde ich bei etwa 7-7,5 l/100km maximal ansetzen.

III. Karosserie, Innenraum
Der Golf bietet mehr als ausreichend Platz für vier Erwachsene im Innenraum. Gerade in der zweiten Reihe sitzt man sehr gut, teilweise deutlich besser als bei Wettbewerbern in der nächsthöheren Klasse. So ist im Vergleich zum Vectra C GTS die Kopffreiheit erheblich besser. Auch die Beinfreiheit ist ausreichend.

Die Bedienung des Fahrzeug ist intuitiv mit Ausnahme der MFA+. Sämtliche Einstellungen müssen über den Wischerhebel vorgenommen werden – das nervt und ist unpraktisch. Gut hingegen ist die Zielführund des CD-Navi. Einziger Kritikpunkt ist dabei der schleppende Kartenzoom im „MAP“-Modus. Die zehn werkseitigen Lautsprecher machen eine gute Figur, auch wenn das Radio mit nicht so tollem Empfang den Hörgenuss verhageln kann. Der Wechsler nimmt meine selbstgebrannten CDs tadellos an.
Navigation MFD2, Climatronic und Reifdruckkontrollsystem
Weniger gelungen ist jedoch die Lichtsteuerung. Schalte ich das Abblendlicht (Xenon) auf „an“ und verlassen den Wagen, so schaltet das Licht nach einiger Zeit ab. Sehr gut gelöst bis dahin. Schließe ich jedoch den Wagen auf, so zünden die Brenner um dann, sobald ich eingestiegen bin wieder abzuschalten. Sobald ich den Wagen starte, werden die Brenner erneut gezündet – die Abstimmung der Lichtautomatik mit dem Coming Home ist hier misslungen.
Bi-Xenon-Scheinwerfer mit sehr schönem farblichen Kontrast zum Lack
Das gilt übrigens auch für den Regensensor, der erst bei Dauerwischen das Licht auslöst. All dies vermag auch zu erklären, weshalb die Brenner bereits nach 80 000km völlig am Ende sind. Diese werden schnellstmöglich gegen Osram Xenarc Silverstar getauscht (20% mehr Licht gegenüber original).

Der Innenraum ist im Übrigen gut verarbeitet und zeigt nur an wenigen Softlacken Schwächen (Clips am Lenkrad). Trotz der Farbe Beige sieht alles noch wohlich aus (mit Ausnahme der Fußmatten). Damit dies so bleibt, muss für den Tierbesitzer natürlich die Nachrüstung eines Trennnetzes im Kofferraum ganz oben auf der Liste stehen. Dies ist jedoch mangels werkseitiger Befestigungspunkte im Dachhimmel äußerst schwierig und teuer (VW-Lösung kostet 300 €!!!). Besonders hilfreich ist hierfür auch nicht, dass im Kofferraum keine ausreichend großen Ösen für eine fachgerechte Ladungssicherung angebracht sind. Das ist bei Mercedes deutlich besser gelöst.

Mängel im Softlack (Lenkradclips)

Mängel im Softlack (Öffner Rückwandtür)
Um die volle Funktionalität eines modernen Fahrzeugs zu erhalten, habe ich eine Kufatec Fiscon Basic Freisprecheinrichtung nachgerüstet. Diese ist völlig versteckt verbaut und ermöglicht das Koppeln von bis zu fünf Mobiltelefonen via Bluetooth an den Golf (sowie weitere nette Spielereien). Dies erspart viele Bußgelder…

IV. Fahrwerk
Das Fahrzeug steht auf 195/65 R18 Conti Eco Contact. Um es kurz zu machen: Die Fahrwerksabstimmung ist eine Katastrophe. Zwar klappert nichts und es ist auch nichts ausgeschlagen, trotzdem ist die Entkopplung des Fahrwerks vom Innenraum nur mäßig gelungen. Dumpfes Poltern beim Überfahren von Fugen gehören ebenso zum Pflichtprogramm wie eine für ein Komfortfahrwerk ungebotene Härte vor allem auf der Hitnerachse. Diese Härte verschwindet allerdings dann plötzlich im Grenzbereich, wo sich der Golf nach anfänglichem Übersteuern teigig ins Untersteuern bemüht – und hier auch zwischen beiden Fahrzuständen pendelt. Ein Fahrverhalten, das weder sonderlich vertrauenserweckend ist noch das ESP arbeitslos machen will. Auch liegt der Grenzbereich erschreckend niedrig, was ich den hilflos wimmernden Contis jedoch zuschreiben will.
15" Alufelgen mit Continental Bereifung
Die von mir beschriebene Härte wird wohl nötig sein, um die durch Zuladung großzügig erhöhbare Hinterachslast sicher zu verdauen. Allerdings verstehe ich nicht, warum man dann nicht konsequenterweise das Gesamtfahrwerk auch entsprechend straff abgestimmt hat, um so wenigstens diesen für mich überraschenden Wechsel zwischen hart und teigig zu verhindern. Der Versuch mit dem Fahrwerk den Spagat zwischen Komfort und Sicherheit zu gehen, ist hier nur mäßig gelungen. Natürlich ist dies Jammern auf höchstem Niveau - der Golf lässt sich dank des sehr gut regelnden ESP immer sicher beherrschen.

V. Fazit
Ein äußerst gelungener Wagen um im städtischen und ländlichen Bereich von A nach B zu kommen. Er ist dabei sparsam und hat alle nötigen Komfortfeatures an Bord. Für Autobahnfahrten sind jedoch wohl Motor als auch Reifen deutlich zu laut. Gleiches gilt für die Windgeräusche. Für mich ein ganz klarer SIEGERTYP! [JG]

4 Kommentare:

  1. Danke für diesen ausführlichen Testbericht, hat mir sehr weitergeholfen !

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  2. "Das Fahrzeug steht auf 195/65 R18."
    Du meinst wohl R15
    "Trotzdem ist die Entkopplung des Fahrwerks vom Innenraum nur mäßig gelungen."
    Was soll da entkoppeln, das ist kein Opel Vectra C GTS :).

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  3. jedoch mangels werkseitiger Befestigungspunkte im Dachhimmel äußerst schwierig und teuer (VW-Lösung kostet 300 €!!!).

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